Fusion, vom Jazz aus gesehen: Steve Khan

Fusion ist eine Musikrichtung, die sich nicht festlegen will. Oder kann. Man denke an das Begriffschaos der frühen 70er: Damals waren sowohl Jazz-Rock als auch Rock-Jazz ein Ding – und mancher unbedarfte Hörer vermutete mit gutem Grund, dass sich die Musiker, Promoter er auch Journalisten die Reihenfolge halt nicht so gut merken konnten (oder dass die Unterschiede vor allem in der Art der konsumierten Drogen zu suchen waren, aber das ist eine andere Geschichte). Ähnliches wiederholte sich einige Jahre später dann mit Jazz-Funk und Funk-Jazz, aber auch das ist eine andere Geschichte.

Wer heute zum Beispiel Miles Davis’ „Bitches Brew“ unter die Plattenspielernadel nimmt und danach Billy Cobhams „Stratus“, der stellt aber schnell fest, dass diese Unterscheidung sehr wohl Sinn ergab – ein Sinn, der später im Einheitsbegriff „Fusion“ schon wörtlich verschmolzen wurde. Es kommt nämlich schon darauf an, von welcher Seite sich ein Musiker oder eine Band der Fusion nähert. Im Fall von Jazzikone Miles Davis war das – natürlich – der Jazz, dessen Spektrum er durch die Wahl seiner Bandmitglieder gezielt erweiterte. Cobham wiederum setzte gezielt auf Rock (auch dank Tommy Bolin und Leland Sklar an Gitarre und Bass), dessen „Four on the floor“-Korsett er mittels Jazzelementen gründlich sprengte. Zweimal Fusion, sicher – aber doch sehr verschieden.

Und eine Geschmacksfrage. Mag man die „schrägere“ Rock-Jazz-Fusion lieber oder doch die „lautere“ Jazz-Rock-Fusion? Bei mir ist das eine Sache der Tagesform. Auf jeden Fall aber lohnt es sich, Fusion-Scheiben nach solchen Kriterien einzuordnen. Dann fange ich mal damit an: mit Steve Khan.

Seine Live-Aufnahme „The Suitcase“, 1994 in Köln entstanden, ist eindeutig „Fusion, vom Jazz aus gesehen“. Kein Kantersieg für den Jazz, aber doch ein eindeutiges 2:1. Für den Jazz stehen erstens Khan selbst, seines Zeichens ein routinierter Session-Musiker, der auch in den Credits von Billy-Joel-Alben auftaucht, und doch ein Vertreter von Post-Bop und Co. Zweitens Anthony Jackson, ein gleichzeitig omnipräsenter und doch unterschätzter Bassist mit einem ganz eigenen Ton und nicht zuletzt einem sechssaitigen Bass – sowas nutzt im Rock niemand, wozu auch. Für den Rock geht Dennis Chambers in den Ring, der eigentlich aus dem James-Brown-Dunstkreis stammt, aber dennoch „schwergewichtiger“ spielt als meisten Jazz-Drummer, gleichzeitig aber technisch keine Grenzen zu kennen scheint.

The Suitcase - Live in Köln '94: Amazon.de: Musik

Das Ergebnis ist eine unglaublich virtuose Fusion-Aufnahme, die zwar mangels viertem Bandmitglieder, etwa an den Keyboards, nicht gerade unendlich viele Varianten im Sound liefern kann, aber faszinierend von der Jazz-Welt aus in den Rock rüberschaut. So etwas kann im stilstischen Nirgendwo enden – diese drei finden aber eine ganz eigene Nische. Und liefern etwa mit „What I´m Said“ ein Paradebeispiel dafür ab, was zwei begnadete Musiker auf der Grundlage eines gnadenlosen Shuffle-Beats von Chambers schaffen können. 

Dazu kommt, dass die Aufnahme zwar sehr „trocken“, aber eben auch sehr sauber und ungekünstelt daherkommt. Reinhören!

Was Steve Khan selbst dazu schreibt: Link

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