Jazz ist anregend bis aufregend, interessant bis spannend, überraschend bis verstörend. Aber groovy ist Jazz nur selten.
Hier kommt Fusion ins Spiel. Fusion ist Jazz plus Groove, oder, zumindest: Jazz plus „Pocket“.
Nun sind „Groove“ und „Pocket“ als Begriffe so schwammig, dass sie fast jeder für sich beanspruchen kann. Deshalb hier keine Definitionsarie, sondern die schlichte Feststellung: Ein Groove ist, wenn der Fuß mitwippt. Und ein Drummer ist in der „Pocket“, wenn er den Takt nicht trifft, aber der Groove dadurch erst spannend wird.
Verwirrt? War ich auch. Ist ein Rhythmus nicht erst dann perfekt, wenn er haargenau im Takt liegt? Eben nicht. Die wirklich guten Bands und speziell die Schlagzeuger schaffen es, einen Rhythmus gerade so weit voranzutreiben oder zu verschleppen, dass es nicht „daneben“ klingt, sondern dem Song einen ganz bestimmten Charakter verleiht.
Besonders wichtig ist das bei Funk. Dieser Stil funktioniert nur, wenn der Groove a) „rock solid“ ist und b) „laid back“. Im Klartext: Der Drummer spannt den Rhythmusbogen bis zum Bersten, indem er verzögert und dann wieder aufholt, und das auf den Punkt.
Klingt kompliziert? Nein: es klingt im Ergebnis einfach, aber den Punkt zu treffen, ist echte Kunst und großes Kino. Wie es geht, haben besonders die Schlagzeuger aus der Funk-Urzeit bewiesen, etwa der jüngst verstorbene Clyde Stubblefield. Die absolute Krönung der „Pocket“ und des Groove ist für mich allerdings Bernard „Pretty“ Purdie. Wie es geht, zeigt und erklärt er – auf seine ganz eigene Art – zum Beispiel in diesem Video.
Manchmal – zu selten für meinen Geschmack – sind sogar ganze Alben „in the pocket“. Ein Musterbeispiel dafür ist „A go go“ von John Scofield – nicht nur in dieser Hinsicht ein Meisterwerk. Davon wird in Fusion Revival noch öfter zu lesen sein. Reinhören und streamen oder kaufen!
(Foto: Khiov)