Ein Ferrari hat rot zu sein, ein Texaner einen Stetson zu tragen und ein Wiener täglich Schnitzel zu essen. Gewohnheiten und Klischees machen das Leben so einfach und ordentlich.
Und langweilig.
Für Musiker ist das ein Problem. Von Ihnen wird erwartet, dass sie ihren gewohnten Stil spielen und leben – und nichts anderes. Die meisten Fans wollen gar nicht überrascht werden, sondern Bewährtes unbesehen kaufen können. Die Produzenten wollen die Stammkundschaft auf keinen Fall verschrecken. (Einzige Ausnahme sind Alben mit Weihnachtsmusik, aber das ist ein ganz eigenes Thema.)
Wenn ein etablierter Musiker wie James Carter dann doch einmal aus dem üblichen Muster ausbricht – vermutlich ganz einfach, um ein wenig Spaß zu haben – rümpfen die eisernen unter den Fans die Nase und runzeln die Kritiker die Stirn.
Für alle, denen James Carter nicht spontan geläufig ist: Er ist eine der Ikonen jüngerer Generation des traditionellen Jazz zwischen Bebop, Hardbop und Free Jazz.
Und dann kommt der Mann im Jahr 2000 plötzlich auf die Idee und macht mit Layin‘ in the cut ein Funk-Jazz-Album, also Fusion. Die Kritiker sind skeptisch und vermuten, er laufe nur einem Trend nach, wolle also das schnelle Geld machen, ohne Rücksicht auf seine musikalischen Wurzeln. Und diese Art von Musik sei sicher nicht seine „second nature“.
Und wenn schon. Erstens steht nirgends geschrieben, dass ein guter Jazzmusiker keinen wirtschaftlichen Erfolg haben darf (Smooth-Jazz-Seelenverkäufer vielleicht mal ausgenommen.) Und zweitens bringen Seiteneinsteiger wie Carter auch frischen Wind ins Fusion-Genre.

Ja, es stimmt: Nicht das ganze Album ist gelungen. Und ja: Es ist eine Art Findling im Carter-Universum geblieben.
Aber gerade deshalb sind Titel wie das Titelstück absolut hörenswert. Wie Carter die sehr „loose“ spielende Band mit Free-Jazz-Elementen auf dem Tenorsax kombiniert, ist mir so nicht untergekommen. Unbedingt anhören, und die Tracks unbedingt zu Ende hören.
Sie brauchen es ja keinem Jazz-Hardliner zu erzählen.
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