Wann haben Sie zum letzten Mal Musik in Stereo gehört? Klar: Im Auto. Via Kopfhörer am Headset. Vielleicht auch beim Fernsehen. Aber sonst? Sehen Sie: Die Frage ist gar nicht so albern. Denn was seit den 70er-Jahren buchstäblich zum guten Ton gehörte – nämlich Raumklang via Zweikanalton – ist heute eindeutig auf dem Rückzug. Alexa spielt mono, Apples Homepod genauso, all die Bluetooth-Devices à la Bose sowieso. Wer sich heute eine lautsprechendes Gerät kauft, bekommt meist: mono.
Ist das schlecht? Nicht unbedingt, denn die kleinen Dinger können was. Speziell die für zuhause konzipierten vernetzten Boxen von Sonos und Co. klingen erstaunlich satt, brillant, ausgewogen. Sogar laut. Genau hier liegt der Unterschied zu den besagten 70ern: Damals war der Unterschied zwischen einem Tischradio (nußbaumfuniert) und einer ordentlichen Stereoanlage (im mattschwarzen, turmhohen Rack) gewaltig. Heute klingt es sogar aus einem handtellergroßen Bluetooth-Lautsprecherchen ganz passabel. „Reicht mir völlig“ scheint zum allgemeinen Tenor zu werden.
Schade, denn viele wissen heute gar nicht mehr, was sie verpassen. Natürlich steht es jedem frei, die Currywurst aus dem Kühlregal lecker zu finden. Aber meistens ist es damit schnell vorbei, wenn man mal die von Konnopke aus Berlin probiert hat. Genauso ist es mit Musik aus der Konserve. Dafür habe ich gleich zwei Beispiele. Beide nicht aus der Fusion-Welt, übrigens.
Erstens: „We´ve only just begun” von den Singers Unlimited. Ja, ein Carpenters-Cover. Ja, Easy Listening. Ja, klingt wie das, was vor 30 Jahren in den öffentlich-rechtlichen Radioprogrammen nach 2 Uhr nachts gesendet wurde. Aber eben nur über ein Lautsprecherchen in mono. Wer sich das Ganze in Stereo, über gute Lautsprecher anhört, entdeckt die Ebenen, Schichten, Ideen, die bei dieser Produktion in den frühen 70ern in den Studios im Schwarzwald in die Musik eingeflossen sind. Dieser Sound lebt im Raum, durch seine Größe, durch Tiefe und Breite. In Mono ist es halt nur altbackenes Gedudel.
Zweitens: Ray Brown, „Real Blues”. Das Stück beginnt mit einem Solo auf dem Kontrabass (an dem kleine Lautsprecher ohnehin scheitern, aber darum geht es hier nicht). Der Bass-Meister baut eine Menge Spannung auf – die urplötzlich verpufft, als links im Hintergrund ein Telefon klingelt. Das Publikum lacht spontan, und erst in diesem Moment merkt der Zuhörer, das dies eine Live-Aufnahme in einem großen Raum ist. Man hört die Dimensionen des Clubs und kann sich die Situation ganz plastisch vorstellen. Dank Stereo. In Mono hingegen ist das nur eine Episode ohne besonderen Wert, eine Störung in der Aufnahme, auf die man gut hätte verzichten können.
Unwichtig? Finde ich nicht. Hören Sie mal rein – aber bitte in Stereo. Mono ist was für die Küche.
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