Fusion ist Jazz-Rock 2.0. Vielleicht noch ein bisschen Latin oder R&B, maximal. Aber Big Band?Das hat mit Fusion so wenig zu tun wie Polka oder Andrea Berg. Oder?
Das stimmt natürlich im Allgemeinen. Der Weg von Benny Goodman zu Weather Report und John Scofield ist weit. Aber es gibt eben doch Grenzgänger zwischen diesen beiden Welten, deren Fangemeinden so wenig Überschneidungen zu haben scheinen. Und da wird es spannend.
Der Klassiker schlechthin ist die Buddy Rich Big Band, die so ziemlich alles zwischen Swing und Rock (oder was sie dafür hielt) gespielt hat. Schönes Beispiel: Der „Slo Funk“, eingespielt Anfang der 80er Jahre, geschrieben von Bob Mintzer (mehr dazu gleich). Aber – sorry Buddy: Das beste Fusion-Album der BR Big Band entstand erst nach dem Tod des Meisters. Dazu haben sich verschiedenste Drummer eingefunden, um mit der Band „ihre“ Musik einzuspielen. Dabei sind so schräge Dinger rausgekommen wie „Beulah Witch“ mit Guns’n’Roses-Schlagzeuger Matt Sorum, großartig Groovendes wie „Pick up the pieces“ mit Steve Ferrone oder eben „Slo Funk“ mit Studio-Gigant Omar Hakim. Eine Must-have für Big-Band-Freunde? Sicher nicht, aber eine höchst unterhaltsame Fusion-Scheibe.
Mein persönlicher Klassiker dieses Nischen-Genres kommt aus einer ganz anderen Ecke: besagter Bob Mintzer, Saxophonist und Teilzeit-Mitglied der Fusion-Band Yellowjackets hat über Jahre eine Art Mini-Big-Band geleitet und dabei eine ganze Reihe von Aufnahmen zwischen nett und belanglos und atemberaubend abgeliefert. Wer ein Erweckungserlebnis braucht, um zu glauben, dass eine Big Band auch funky sein kann, der sollte sich „Techno Pop“ von der CD „Camouflage“ anhören. Sagenhafte Energie, live im Studio mit Top-Musikern (Solo von Randy Brecker!) direkt auf ein digitales Zweispurband eingespielt. Und alle Blechbläser haben sich um ein einziges Mikrofon aufgestellt. Sagenhaft.
Wer jetzt den EIndruck gewonnen hat, Big Band Fusion sei eine Episode der 90er gewesen, liegt übrigens falsch. Erst 2017 hat der Bassist Christian McBride das erste Album seiner eigenen (kleinen) Big Band veröffentlicht. Und die ist nicht nur wegen ihres brillianten Spiels bemerkenswert – sondern auch wegen des Grooves, gut zu hören etwa auf Gettin‘ to it.
Fusion-Bands sind also nicht zwingend mit fünf Musikern schon voll besetzt. Es können auch mal fünfzig sein.