Helden sind faszinierend, keine Frage. Manchmal aber sind Anti-Helden noch spannender.
Diese Erkenntnis drängt sich mir bei zwei Alben – und bei den Musikern dahinter – auf, die in diesem Frühjahr erschienen sind, und die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Da ist zum einen Tal Wilkenfeld, die Wunderbassistin aus Down Under. Jung, talentiert, attraktiv, aus dem Spaßkontinent Australien – und mit einem schier unglaublichen Track Record aus den letzten Jahren. Jeff Beck, Herbie Hancock, Wayne Shorter und Lee Ritenour sind nur Beispiele für die Bandleader, die den Wuschelkopf ins Studio und auf die großen Jazz-Bühnen eingeladen haben. Für eigene Alben blieb da kaum Zeit – gerade erst ist das zweite auf den Markt gekommen, und siehe: von Jazz und Fusion ist auf „Love Remains“ nicht viel zu hören, mehr von Alternative Rock a la Alanis Morrissette in jungen Jahren. Passt schon auch irgendwie und wird sicherlich weitere Erfolge bringen (bei diesen Mentoren…)
Ganz anders hingegen Oz Noy. Groß, blass, immer etwas unbeteiligt wirkend, aus dem nicht ganz so spaßigen Israel stammend. Ich habe Oz Noy schon zweimal auf Club-Bühnen erlebt. Sensationell, nicht nur was die Spieltechnik angeht, sondern auch den Sound, die Effekte, die Ideen. Und trotzdem immer irgendwie im Schatten der Bandleader. Anti-Held, eben.
Wenn er aber selbst vorne steht, hat er musikalisch immer mit dem Schalk im Nacken, und zwar auf fast jedem Album mit einem anderen. Nach Funk, Soul und Blues ist es diesmal der Boogaloo, eine ziemlich schwarze, ziemlich obskure und ziemlich vergessene Spielart des Boogie-Woogie (der sich ja selbst nicht mehr direkt in den Charts findet…). Und ausgerechnet der blässliche Israeli mit der Zipfelmütze haucht dem Boogaloo neues Leben ein. Scheint, als habe er sich die so ziemlich abwegigste Idee geschnappt, die er in den letzten Jahren hatte. Anti-Held eben.
Aber es funktioniert. Nicht zuletzt dank der großartigen Mitstreiter – Noy versammelt wie immer die absolute Creme de la Creme der Studio-Cracks um sich, Vinnie Colaiuta und Dave Weckl seien da nur exemplarisch genannt – schafft er es, in den afro-kubanisch geprägten Sound seine charakteristischen Scharten, Ecken und Kanten reinzuhauen. Boogie? Ja, aber spätestens beim Woogie wird´s schräg. Wichtig ist dabei, in die Stücke reinzuhören. Wer nach 30 Sekunden aussteigt, verpasst das Entscheidende.
Wer also nur Helden mag, möge weiterklicken. Wer wissen will, wie so eine Fender Stratocaster auch noch klingen kann, dem ist Booga Looga Loo ans Herz gelegt.
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