„Sie wollten zuviel.“ Sie kennen diesen Satz – aus der Sportberichterstattung. Die deutschen Fußballer bei der WM, Angelique Kerber bei den US Open: Sie haben zuviel gewollt, zuviel gemacht, es mit der Brechstange probiert. Und sie sind übers Ziel herausgeschossen.
Im Sport ist das nicht selten, in der Musik nicht weniger. Damit meine ich natürlich einmal mehr nicht die zahllosen DJs und anderen Musik-Imitatoren, deren Fehltritte eher darin bestehen, ein bestehendes Rezept einmal zuviel strapaziert und denselben Beat ohne jede Änderung übernommen zu haben.
Ich meine insbesondere Fusion-Musiker, die für Pop-Produktionen ins Studio gerufen werden – und dann sich die Seele aus dem Leib spielen, wo es gar nicht angesagt ist. Bitte nicht falsch verstehen: Ich verneige mich vor Musikproduzenten und Künstlern, die überhaupt noch die Dienste echter Musiker in Anspruch nehmen, statt sich einfach alles aus Soundbibliotheken zu pflücken und in ProTools zusammenzubasteln.
Immer wieder begegnen einem Songs, die für sich gesehen brillant produziert sind, bei denen sich aber zugleich der Eindruck aufdrängt, mindestens einer der Musiker hätte einfach zu viel gewollt.
Ein schönes Beispiel dafür ist „Fools and Fallen Angels“ von Hannah Köpf. Deren Album „Cinnamon“ ist zweifellos Weltklasse im Genre des Folk-Pop, nicht zuletzt durch die Jazz-Einsprengsel. Und es ist ein gutes Beispiel dafür, dass solche Musik nicht aus Nashville kommen muss, sondern auch in Köln entstehen kann.
Aber ausgerechnet bei der Single-Auskopplung „Fools…“ war der Schlagzeuger Tim Dudek, für sich gesehen ein großartiger Musiker, mit besagter Brechstange unterwegs. Wo die Nummer einen tiefen, entspannten Groove verdient hätte, spielt Dudek ein „Fill“ nach dem anderen. Hören Sie mal genau hin: Es gibt kaum drei Takte, die durchgängig gespielt sind. Klar, es ist ein Uptempo-Song. Aber der Schlagzeug-Track gibt ihm eine völlig überflüssige Hektik.
Wie man sowas besser machen kann? Ein Seitenblick zum Großmeister desselben Genres reicht: James Taylor zeigt das in seinem Grammy-nominierten Album „Hourglass“. In „Just a little More Time with you“ baut der leider viel zu früh verstorbene Schlagzeuger Carlos Vega genau den wünschenswerten Spannungsbogen auf. Ganz tief in der vielbeschworenen „Pocket“, treibt er den Song voran, ohne einen Schlag zuviel. Spielt er „besser“ als Dudek? Nicht unbedingt (auch wenn es keine Schande für einen Schlagzeuger ist, nicht ganz die Klasse eines Carlos Vega zu erreichen). Auf jeden Fall aber spielt er weit dienlicher für den Song.
Nicht zuviel eben. Sondern auf den Punkt.
Kommentar verfassen