Was macht den Geschmack eines Gerichtes aus – das Rezept oder die Zutaten? Oder, anders gefragt: Ist so genannte Crossover-Küche mit Kartoffeln, Speck und Petersilie machbar? Wohl nicht. Wer einmal Gerichte wie die prämierten Auberginen mit Miso-Caramel im „Clube de Jornalistas“ in Lissabon probiert hat (unbedingt machen und einen Gruß an den Chef Ivan ausrichten!), der ahnt, dass es schon spezielle Ingedienzen braucht, um einen Geschmack zu schaffen, der zwar leicht abseits des Gewohnten liegt, aber doch auch gewöhnliche Gaumen begeistern kann.

Bei Fusion Jazz ist das nicht anders. Es gibt Musikstücke, die sich leicht wie eine Creme Caramel konsumieren lassen, und bei denen erst nach dem dritten Bissen auffällt, dass sie erst durch eine Prise Kardamom so interessant werden, wie sie sind. „Distracted“ von Al Jarreau ist so ein Stück. Vordergründig ist das „nur“ ein harmloser Popsong, nicht einmal einer der Auffälligsten des Albums „This Time“. Trotzdem bleibt nach dem Vorbeihören ein Nachklang, der nichts mit dem Song an sich zu tun hat. Hier sind es die Zutaten, die eine Prise Ungewöhnlichkeit einstreuen. Genauer gesagt: die Musiker. Die kommen alle aus der damals gewichtigen Fusion-Sparte. Mehr noch: Sie waren die Creme de la Creme. Und das hatte offensichtlich einen guten Grund. Denn während die anderen Tracks von „This Time“ offenbar penibel geplante Popsongs sind, haben es doch auch ein paar Exoten auf die Platte geschafft. Sie entstanden offenbar aus – ganz genau lässt sich das nicht aus den Liner Notes ableiten – Vorab-Demos oder Last-Minute-Songideen. Für beides braucht es Musiker, die nicht nur effizient und auf den Punkt ihre Parts direkt vom Notenblatt einspielen können (was für sich genommen schon eine beneidenswerte Kunst ist). Dazu braucht es Musiker, die bei aller Professionalität auch spontane kreative Haken schlagen können. Mithin also genau das, was Fusion Jazz ausmacht.
Und so haben sich für „Distracted“ mit George Duke, Steve Gadd und Abraham Laboriel Sr. drei Fusion-Giganten im Studio getroffen und zusammen mit Larry Williams einen Popsong eingespielt, bei dem man sich erst nach dem letzten Ton wundert, wo denn jetzt plötzlich diese Akkordfolgen, diese Schlagzeug-Fills und vor allem diese ungewohnte Dynamik herkam.
Also: Nicht achselzuckend dran vorbeihören, sondern den Track nochmal spielen. Die Prise Kardamom und der Hauch von Miso erschließen sich erst dann.
P.S.: Das Rezept hat übrigens bei diesem Song durchaus auch gestimmt: Anders als die meisten seiner bekannteren Hits hat Jarreau „Distracted“ selbst geschrieben.
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