In der Schauspielerei gilt es als eine Art Königsdisziplin, eine Szene zu füllen, obwohl man gerade nicht im Mittelpunkt steht. Auch ein Musiker kann sich innerhalb eines Stückes sehr wohl damit profilieren, was er eben nicht spielt. Beim Schlagzeug und da vor allem beim Funk ist das besonders augen-, besser ohren-, fällig: Was auch immer Clyde Stubblefield, James Gadson und Co. geschaffen haben, ist nicht sonderlich kompliziert, sondern es lässt Luft für Spannungsauf- und abbau.
„Tension and Release“ nennt man das. Der Rhythmus lässt den Zuhörer für ein paar Sekundenbruchteile in der Luft hängen, um ihn dann zu „erlösen“. Dabei ist natürlich das Timing alles. Nur die besten treffen die perfekte Fallhöhe.
Polnische Polyrhythmen
Sie können sich nicht wirklich vorstellen? Dann empfehle ich einen tiefen Griff in die Kuriositätenkiste von Funk und Fusion. Unter dem Namen „Funk Factory“ hat sich die sonst eher dem Avantgarde zugeneigte Szene um den Polen Michal Urbaniak und seine Frau Urszula Dudziak im New York Mitte der Siebziger dem Funk zugewandt. (Nicht unbedingt eine sehr nahe liegende Kombination – und entsprechend nicht überraschend, dass es eine kurzlebige Angelegenheit blieb.) Der Jazzgeiger und die Frau mit der Sirenenstimme, beide immer auf dem Grat zwischen interessant und unerträglich schräg unterwegs, waren dabei so schlau, das Rückgrat dieser Musik echten Fachleuten zu überlassen: Für den Groove sorgten Gerry Brown und das Universalidol aller Schlagzeuger der 70er: Steve Gadd. Und letzterer lieferte im Opener der Scheibe ein Musterbeispiel für „Tension and Release“ ab: Wo sich andere Drummer wohl ein raffiniertes Fill für den Abschluß der einzelnen Strophen hätten einfallen lassen, spielt Gadd – nichts. Also fast nichts. Er lässt eine fast endlos erscheinende Pause, die sich dann in einem einzigen Schlag auf das Stand-Tom entlädt.
Banal? Eben nicht. Denn dieser eine Schlag muss perfekt sitzen, sonst ist das Ganze nicht spannend, sondern lächerlich. Gadd kann das (übrigens bis heute), und das ist einer der vielen Gründe, warum er so verehrt wird. Nichts spielen kann er eben wie kaum ein anderer. Viel spielen übrigens auch – man höre sich den Rest des Tracks genauer an.
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