Kennen Sie das: Manchmal ist ein Lob auch eine indirekte Abwertung. Zum Beispiel, wenn ein Kinofilm als „unterhaltsam“ bewertet wird, aber damit eigentlich „belanglos“ gemeint ist. Wie immer, wenn Kunst oder auch nur einfache Geschmacksfragen im Spiel sind, gibt es zwei wesentliche Parteien: Die Kenner/Snobs/Hardliner auf der einen und die einfachen Konsumenten, die nur eine entspannte Stunde erwarten, auf der anderen.
Fusion Jazz sitzt genau zwischen diesen beiden Stühlen. „Zu unterhaltsam“ für den Jazz-Puristen, zu „verkopft“ für den Mainstream-Genießer. Ein 50 Jahre altes Dilemma, dem nur ganz wenige Musiker des Genres entkommen konnten.
Tatsache ist aber: es geht. Ein Beispiel dafür ist mir erst neulich untergekommen, obwohl das Album schon 1996 erschienen ist und der Bandleader entsprechend kein unvorbelasteter Nachwuchsstar mehr ist. Im Gegenteil: Joshua Redman kommt aus einem Hardbop-geprägten Haus, mit Dewey Redman hat iim sein Vater eine erhebliche Jazz-Hypothek hinterlassen. Es gab für ihn also nur zwei offensichtliche Wege: Einmal in die väterlichen Fußstapfen zu treten, oder aber bewusst davon abzuweichen.
Und was macht Joshua? Beides. „Freedom in the Groove“ ist dafür ein sehr schönes Beispiel. Das Album ist klassisch jazz-instrumentiert. Keine Synthesizer, keine Effekte, nicht mal ein E-Bass. Dafür spricht der Titel Bände: Jazz findet hier in einem ganz anderen zeitgenössischen Rhythmusumfeld statt. Funk mit einem Jazz-Quintett? Klar, warum nicht. Gleich der Opener „Hide and Seek“ ist dafür das beste Beispiel. Perkussives Saxophon gibt nicht nur den Ton, sondern auch den Beat an. So groovy, dass man es glatt für eine Steilvorlage zum Samplen für Hip-Hop-Producer und andere halten könnte. (Tatsächlich wurde dieser Track noch nicht gesampled, dafür andere des Albums.) Danach folgen klassisch swingende Titel, fast schon „smoothe“ Balladen. Bluesiges… Unterhaltsam? Absolut. Belanglos? Definitiv nicht.
Natürlich (muss man fast schon sagen) war die Musikkritik seinerzeit anderer Meinung. „Bemüht“ war nur eines der Attribute, und man empfahl Joshua Redman, „bei seinen Leisten“ zu bleiben. Auch die Kritiker konnten sich ganz offensichtlich den Stereotypen nicht ganz entziehen, Das zahlende Publikum durchaus: Das Album erreichte Topplatzierungen sowohl in der Kategorie „Traditional Jazz“ als auch bei den Trendsettern.
Anhören. Aber bitte von Anfang bis Ende.

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